Improvisation - das spontane Erfinden von Musik - gehört zu meinen Lieblingsthemen.
Ich improvisiere in Konzerten oder einfach so, um mich daran zu freuen, zum Üben (wenn ich auf Tonleitern und Etüden keine Lust habe), um neue DInge auszuprobieren und um mich freier mit meinem Instrument zu fühlen.
Fast alle Schüler von mir probieren es einmal aus, etliche finden gefallen daran, erweitern ihre Möglichkeiten und spielen irgendwann kurze und längere Stücke, schreiben sie manchmal sogar auf. Wer bereits ein Instrument spielt und ergänzend improvisieren lernen möchte, kann auch hierfür Stunden nehmen oder einen Workshop besuchen.
,,Und das soll gehen? Was soll ich denn spielen? Ich habe doch gar keine Ideen!"
Na klar geht das - leichter als gedacht. Man muß nur wissen, womit man anfangen kann.
Eine Möglichkeit: Ganz frei, mit allem, ohne Vorgaben. Oder bestimmte Abfolgen oder Muster von Klängen: lang - kurz, hoch - tief, schwer - leicht. Oder nach Vorstellungen: Wie klingen Federwolken? Eine Gewitter? Eine Unterwasserwelt? Wie klingt es, wenn Herbstblätter herunterfallen? Auch ein Bild oder Gedicht kann zu Klängen anregen.
Noch einfacher ist es, wenn man sich zunächst auf bestimmte Töne und Muster beschränkt. Welche Töne, welche Saiten, Finger oder Tasten können wir verwenden? Erstmal nur so viele, wie wir auf einmal jonglieren können: Was kann ich mit zwei Rhythmen machen? Was läßt sich ich mit drei, vier, fünf Tönen alles anstellen? Dann vielleicht eine Tonleiter, erst in einer Oktave, dann in mehreren. Wie klingt es, wenn man einzelne Töne ändert, Abschnitte oder Tonleitern versetzt? Aus Erfindungsspielen enstehen zuunächst Miniatur-Stücke.
Mit kleinen Bausteinen kann man ziemlich viel verschiedene interessante Dinge anstellen - ein bißchen wie mit Lego. Unterschiedliche, verschiedenfarbige Teile in verschiedenen Mustern und unterschiedlicher Zahl kombinieren, umdrehen, versetzen, mal ein besonderes Teil einbauen.
Es muß auch nicht jeder Takt ausgesprochen originell sein: Ein normaler Legostein ist es für sich genommen ja auch nicht; dennoch kann man wunderbare Sachen daraus bauen. Wichtiger ist es, eine Vorstellung zu entwickeln: Was kann man damit machen? Was könnte noch daraus entstehen?
Gute Musikstücke sind mehr als Ansammlungen von Ideen, meist haben sie eine bestimmten Ablauf, eine Form oder Entwicklung.
Man kann durchaus einem bestimmten Bauplan folgen oder einer Spielregel. Oder einfach einem Gefühl, einer Vorstellung: Sollte jetzt etwas Bekanntes kommen oder doch lieber etwas Neues?
Was könnte sich aus dem bisher Gespielten noch ergeben? Wo will diese Melodie hin?
Man kann sich eigene ,,Spielregeln" ausdenken: je einfacher, desto einfacher (zu spielen). Wenn es nicht mehr interessant ist: die Regel mal brechen, ein neues Teil hinzufügen, etwas anderes probieren. Dabei muß man nicht unbedingt viel nachdenken, eher: sich selbst zuhören, ausprobieren, entdecken.
Eine Improvisation kann mit einer einer Stimmung, einem Klang oder eine Geste beginnen; mit einer Idee oder einem musikalischen Baustein. Erhält sie eine Form, daraus schon ein richtiges Stück Musik werden.
Das kann man dann auch aufschreiben - und schon entsteht eine Komposition.
Wenn man gut improvisieren kann, ist es nur ein kleiner Schritt zum Komponieren. Man muß nur wissen, was man gerade gespielt hat und wie einige Dinge notiert werden. Ja, und sich Zeit nehmen zum Schreiben.
Natürlich kann man sich auch mehr Zeit nehmen und überlegen, sich vorstellen, ausprobieren, Möglichkeiten abwägen... vorher, währenddessen, später. Schauen, wie andere Stücke gebaut sind, wie andere Komponisten das gemacht haben. Welche spontane Idee nehme ich sofort, wo plane ich voraus oder probiere mehrere Einfälle aus? folge einer Regel oder breche sie? Wo lasse ich etwas logisch folgen oder denke mir etwas Überraschendes aus? Ein bißchen ist es wie malen oder schreiben, kochen oder bauen - nur mit Klängen.